Offizielle deutsche Studien
Eine Studie des Mainzer
Instituts für Medizinische
Statistik und Dokumentation (IMSD) zum Thema Kinderkrebs um Kernkraftwerke aus
dem Jahr 1997 umfasst
20 Standorte von kerntechnischen Anlagen (KTA) in Deutschland und einen
Beobachtungszeitraum von 16 Jahren (1980-1995). Das Risiko für Kinder unter 15
Jahren, im Umkreis von 15 km von kerntechnischen Anlagen an Krebs zu erkranken, wurde
darin gerade so hoch ermittelt wie in geeignet gewählten Vergleichsregionen
(relatives Risiko RR=0,99). Auch das Krebsrisiko im 5-km Nahbereich war mit
RR=1,04 nur unwesentlich erhöht. Wegen des großen Umfangs der Studie sahen die
Autoren der Studie die Frage nach einer möglichen Erhöhung der Krebsrate bei
Kindern um Kernkraftwerke als ausreichend geklärt an; weiteren Forschungsbedarf
gäbe es nicht.
Die IMSD-Studie enthält auch Daten
aus der ehemaligen DDR. Im 15-km Umkreis um 5 Standorte von kerntechnischen
Anlagen war die Krebsrate bei Kindern nichtsignifikant um 25% erhöht. Die
Erhöhung ist dann signifikant, wenn
anstatt des zweiseitigen Tests (= Test auf Erhöhung oder Erniedrigung)
der einseitige Test (Test auf Erhöhung) angewandt wird (p=0.045).
Eine weitere Studie wurde 1995 vom
Bundesamts für Strahlenschutz
(BfS) für
die 5 bayerischen Standorte kerntechnischer Anlagen erstellt. Auch sie ergab keine
auffällige Erhöhung der Kinderkrebsrate im 15-km Umkreis (RR=1,08).
Nach einer Öffentlichkeitskampagne
durch die IPPNW, verbunden mit einer Unterschriftsaktion, beschloss das BfS im Juli 2001, eine
Fall-Kontrollstudie in Auftrag zu geben,
mit dem Ziel, die Ursachen der erhöhten Kinderkrebsraten um deutsche Kernkraftwerke zu
erforschen (KiKK Studie). Den Zuschlag erhielt das Deutsche
Kinderkrebsregister. Die Studie wurde mit einiger Verzögerung im Jahr 2003 begonnen.
Geprüft werden sollte, ob krebskranke Kinder in der Umgebung von Kernkraftwerken
näher am Kernkraftwerk wohnen als Kinder ohne Krebs. Die Ergebnisse der KiKK
Studie
wurden Ende 2007 veröffentlicht.
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Eigene
Auswertungen
Überprüfung der IMSD-Studie
Neben den 15 deutschen Standorten von Leistungsreaktoren umfasste
der IMSD-Studie auch zwei kleine Forschungsreaktoren (Kernforschungszentren Karlsruhe und
Jülich), den seit
1985 stillgelegten Versuchsreaktor in Kahl, und zwei Leistungsreaktoren, die nur
kurze Zeit in Betrieb waren: Mülheim-Kärlich mit nur wenigen Monaten
Probebetrieb, und den Hochtemperaturreaktor in Hamm mit etwa 400 Volllasttagen. Beschränkt man die Auswertung auf die 15 Standorte der in Betrieb befindlichen
Leistungsreaktoren (KKW) und betrachtet nur den 5-km
Nahbereich, so errechnet sich bei Kindern unter 15 Jahren eine signifikante
Erhöhung der Krebsrate um 22% (p=0,047, einseitiger Test), um Siedewasserreaktoren sogar um 40%
(p=0,021).
Die IMSD-Studie enthält
auch die standardisierten Raten (SIR) für die einzelnen Entfernungszonen (0-5
km, 5-10 km, 10-15 km). Die Kinderkrebsrate nimmt mit dem Abstand vom
Kernkraftwerk deutlich ab, wie die folgende Abbildung zeigt.

Bei Kleinkindern unter 5 Jahren sind die Krebsraten im Nahbereich der
KKW um 54% erhöht (p=0,0034), um die Standorte von Siedewasserreaktoren (BWR) um 70%
(p=0,0077).
Die Leukämien sind bei Kleinkindern im Nahbereich mit 76% noch deutlicher
erhöht (p=0,012).
Die folgende Abbildung zeigt das
relative Risiko, d.h. die Krebsrate im Untersuchungsgebiet geteilt durch die
Rate in vom KKW weiter entfernten Vergleichsgebieten, für alle 15
Kernkraftwerksstandorte (NPP sites), für Siedewasserreaktoren (BWR) und
Druckwasserreaktoren (PWR), für die übrigen 5 Standorte (Versuchs- und
Forschungsreaktoren) und alle Standorte zusammengefasst.
Hier
ein Link zu meiner Reanalyse der Daten der IMSD Studie.

Überprüfung der BfS-Studie
Neben den 3 Standorten von Kernkraftwerken (KKW Gundremmingen, Isar,
Grafenrheinfeld) waren zwei weitere Standorte einbezogen worden:
der 1985 stillgelegte Versuchsreaktor in Kahl und der Forschungsreaktor in
Garching, dessen thermische Leistung mit 4 MW 1000-mal kleiner ist als die eines
üblichen Leistungsreaktors. Die Neuauswertung der Daten der BfS-Studie von 1995 ergibt eine
deutlich signifikante Erhöhung der Krebsrate um 35% im 15-km Umkreis dann, wenn
nur die drei KKW-Standorte berücksichtigt werden (p=0,0043). Die Erhöhungen der
Krebsrate an den beiden Standorten Gundremmingen und Isar sind sogar einzeln
signifikant. Schließt man die beiden anderen Standorte - den Versuchsreaktor in
Kahl und den Forschungsreaktor in Garching - in die Untersuchung mit ein, so
reduziert sich das relative Risiko auf RR=1,11; die Erhöhung der Krebsrate ist
dann nicht mehr signifikant (Studie des BfS)
Regressionsanalyse der Kinderkrebsrate auf
Landkreisebene
Eine Regressionsanalyse der Kinderkrebsrate in den bayerischen
Landkreisen, 1983-1993, ergab eine deutlich signifikante 30%-ige Erhöhung der
Krebsrate in den
insgesamt 9 Landkreisen um die drei Standorte von bayerischen Kernkraftwerken (3
Landkreise pro Standort), wobei die Bevölkerungsdichte als weitere
Einflussgröße berücksichtigt wurde. Die Krebsrate um das KKW Gundremmingen war
sogar um 40% erhöht. Für einen bis zum Jahr 1998 erweiterten Zeitraum betrug
die Erhöhung der Kinderkrebsrate um die KKW Standorte 20% (p=0,0027) (Bayern-Studie).
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